Predigt von Bischof Kapellari zum Philippsfest

Predigt beim Pontifikalgottesdienst in der Wiener Pfarrkirche St. Rochus am 27. Mai 2016 zum Hochfest des heiligen Philipp Neri

„Denkt an eure Vorsteher, die euch das Wort Gottes verkündet haben, betrachtet das Ende ihres Lebens und ahmt ihren Glauben nach!“ (Hebr 13,7). Diese Mahnung des Hebräerbriefes im Neuen Testament an eine christliche Gemeinde in der Frühzeit der Kirche gilt ebenso für alle folgenden Generationen und bis heute. Die Vorsteher, von denen da die Rede ist, sind die Bischöfe, aber besonders auch die Gründer von Ordensgemeinschaften und es gibt in jeder dieser Gemeinschaften alljährlich auch ein besonderes liturgisches Gedenken an den Gründer. Heute feiern das Wiener Oratorium und die ihm anvertraute Pfarre St. Rochus das Hochfest des heiligen Philipp Neri. Dieser Heilige wurde am 21. Juli 1515 in Florenz geboren und er ist am 26. Mai 1595 im Alter von 80 Jahren in Rom gestorben. Heuer vollendet sich daher das 500. Jahr seit seiner Geburt, durch die inmitten der Kirche ein großes Licht aufgegangen ist: ein Licht, das auch heute leuchtet. Es leuchtet besonders dort, wo eine der Gemeinschaften besteht und wirkt, die sich dem Leben dieses herausragenden Heiligen der katholischen Reform nach dem Konzil von Trient verdankt. Man nennt eine solche Gemeinschaft Oratorium. In Österreich gibt es nur das Wiener Oratorium bei St. Rochus. Es ist ein großer Segen für die Kirche in der Hauptstadt Österreichs und darüber hinaus.

Papst Gregor XV. hat im Jahr 1622 drei Männer und eine Frau heiliggesprochen, also feierlich in das Verzeichnis der Heiligen unserer Kirche aufgenommen. Es waren die Karmelitin Teresa von Avila, der Gründer des Jesuitenordens Ignatius von Loyola, sein Ordensbruder Franz Xaver und der römische Diözesanpriester Philipp Neri. Von deren Wesen und Wirken waren schon bis damals große Kräfte zur Erneuerung der Kirche ausgegangen, und diese Kräfte wirken bis heute in ihren Ordensgemeinschaften und weit darüber hinaus. Philipp Neri hat mit den drei anderen Heiligen eine tiefe Einwurzelung im Glauben, in der Liebe zu Gott und in der Sorge für das Heil der Menschen gemeinsam. Zugleich zeigen sich in seiner Biografie ganz unverwechselbare individuelle Wesenszüge.

Wer war dieser Mann, von dem auch heute manche kulturhistorisch gebildete, aber kirchenferne Menschen immerhin wissen, dass er sogar vom Dichter Goethe, der der katholischen Kirche eher fremd gegenüberstand, verehrt wurde? Goethe hatte von ihm im Rahmen seiner italienischen Reise eine tiefere Kenntnis erlangt. Wer war dieser Mann, von dem darüber hinaus viele Christen wissen, dass er ein ungewöhnlich fröhlicher Heiliger war, dessen Humor allerdings manchmal sogar skurril ausgeprägt war? Der Theologe Hans Urs von Balthasar hat in seinem großen Werk „Herrlichkeit“ Philipp Neri in die Nachbarschaft zu anderen Christen versetzt, die er ohne jede Ironie schlicht als Gottesnarren bezeichnet hat. Wer war schließlich dieser Mann, der auch den großen, edlen und vor einigen Jahren seliggesprochenen englischen Theologen und geistlichen Meister Kardinal John Henry Newman so inspiriert hat, dass er schließlich selbst Oratorianer geworden und im Oratorium von Birmingham gelebt hat und gestorben ist? Das dortige Oratorium besteht noch heute.

Wer war also Philipp Neri? Ein Blick auf seinen Lebens- und Glaubensweg zeigt ihn als einen schon von Jugend an tief in Gott und in der Kirche verankerten Menschen. Er lebte als Jugendlicher wenig beachtet in der Toskana und ging schließlich 1533 im Alter von 18 Jahren nach Rom, dazu angeleitet nicht durch Angehörige oder Freunde, sondern allein durch eine innere Stimme, die er als Stimme Gottes erkannte. Die ersten zehn Jahre in Rom waren geprägt durch oft nächtelanges Gebet, durch geistliches Studium, durch Zuwendung zu armen Menschen, durch radikale Askese und durch tiefe mystische Erfahrungen. Diese Erfahrungen kulminierten am Pfingstfest 1544. Nach inständigem Bitten um die Gaben des Heiligen Geistes erlebte Philipp in mystischer Verzückung, dass eine feurige Kugel in seine Brust eindrang und dass seine Brust sich über dem Herzen stark ausdehnte. Dies führte ohne physische Schmerzen zu einer massiven und bleibenden anatomischen Ausdehnung des Herzens, zu einem Brand des Herzens, der sich in seinem weiteren Leben ebenso spirituell wie physisch manifestierte. Philipp deutete das als sein Geheimnis und offenbarte es erst kurz vor seinem Tod seinen Gefährten. Der bedeutende Kirchenhistoriker Ludwig von Pastor verglich diese leibliche und geistliche Herzerweiterung Philipps mit dem Empfang der Wundmale Christi durch den heiligen Franz von Assisi.

Die in Jahren gewachsene und nun auch profund symbolisch vollendete tiefe Einwurzelung des Philipp Neri im Mysterium des Dreifaltigen Gottes blieb diesem künftigen Heiligen ein Leben lang eigen. Sie verband sich aber nun mit einer Weite des Herzens, die Philipp zu einer Christusikone für viele Menschen aller sozialen Schichten werden ließ. Er war endgültig so etwas wie ein Magnet geworden, der für Päpste, Kardinäle und große Theologen wie Caesar Baronius ebenso eine Autorität war wie für Bettler und andere kleine Leute. Weil Philipp durch Jahre mit Christus auch in der Einsamkeit der Wüste und des Ölbergs verbunden gewesen war, konnte er nun manchmal auch den Humor eines Clowns als nicht banales Mittel gegen eigenen und fremden Stolz und gegen Traurigkeit zum Einsatz bringen. Aus all dem entstand schließlich das pastorale Modell des Oratoriums und schließlich auch ein Orden, die Kongregation der Oratorianer.

Philipp Neri wollte keinen Orden gründen. Er hielt nicht sich selbst, sondern Christus für den Gründer seiner Gemeinschaft und gab dem Oratorium auch kein detailliertes Programm. Es ging ihm einfach darum, das Gewöhnliche ungewöhnlich gut zu tun und dabei fröhlich zu bleiben. Es gibt bei den Oratorianern daher auch keine Gelübde und trotzdem einen Zusammenhalt, der aus den tiefsten Wurzeln des Glaubens lebt. Kardinal Newman, der im 19. Jahrhundert selbst schließlich Oratorianer geworden war, sagte über den heiligen Philipp: „Er ließ keine äußeren Formen oder Gebräuche zu, die als Eigenart des Oratoriums gelten sollten, außer der gegenseitigen Liebe und harter Arbeit.“

Liebe Oratorianer von Wien! All das hier freilich nur skizzenhaft Gesagte gilt auch für Sie und Ihre Gemeinschaft in Wien, die heute feierlich ihres Gründers gedenkt und Gott für ihn dankt. Er ist für Sie wie für alle anderen heute weltweit bestehenden und wirkenden Oratorien ein Heiliger, den man nicht kopiert, sondern von dem man sich immer neu inspirieren lassen kann und soll. Die Tiefe und die Weite eines Herzens, das von Philipp Neri inspiriert ist, sind ein Glaubens- und Lebensmittel für Kirche und Gesellschaft gerade heute in einer Zeit großer Umbrüche und Abbrüche, aber auch neuer, freilich oft noch bescheidener Aufbrüche in Kirche und Gesellschaft. Priester und Priestergemeinschaften, die eine solche Tiefe und Weite trotz aller Spannungen zwischen diesen beiden Polen getreu, geduldig und auch fröhlich leben, obwohl so vieles in der Welt immer wieder auch zum Weinen ist, sind ein großer Segen. Ich wünsche Ihnen, liebe Priester des Wiener Oratoriums, dass Sie inmitten der Kirche von Wien und Österreichs gemeinsam mit den Ihnen anvertrauten Laienchristen weiterhin ein solcher Segen sein können und bitte dazu besonders um die Fürsprache des heiligen Philipp Neri.

Diözesanbischof emeritus Dr. Egon Kapellari, Graz-Seckau

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