Biographie von Joseph Vaz

Leben und Taten des hl. Joseph Vaz

Am 14. Jänner 2015 wurde der Oratorianerpater Joseph Vaz durch Papst Franziskus in Colombo heiliggesprochen. Doch wer ist dieser neue Heilige wirklich, der der gesamten Kirche nun zur Verehrung vorgeschlagen wird? Der bis heute bedeutendste einheimische, aus Indien stammende, christliche Missionar ist der erste Heilige Sri Lankas, der Insel, die sein eigentliches Wirkungsfeld wurde.

Die Geschichte der katholischen Kirche auf Ceylon, dem heutigen Sri Lanka, korrespondiert mit der Entdeckung des Landes durch die Portugiesen im Jahre 1505. Zu Beginn wurde dort nur sporadisch missionarische Arbeit geleistet. Erst 1543 traf eine Gruppe von Franziskanern ein, die ein Apostolat systematisch aufnehmen konnte. Im Jahre 1602 traten die ersten Jesuiten auf, vier Jahre später folgten die Augustiner und Dominikaner. Am Ende der portugiesi­schen Herrschaft auf Ceylon waren dort über 120 Missionare tätig. Einige Städte, darunter Colombo, Mannar, Jaffna und Galle, hatten ein fast katholisches Aussehen. Dies alles wurde zerstört, als die calvinistischen Holländer in einem zwanzig Jahre währenden Krieg (1638-1658) die Portugiesen von der Insel vertrieben. Der Aufenthalt katholischer Priester wurde sofort mit dem Tode bestraft. Die nie­derländischen reformierten Calvinisten waren allein bevollmäch­tigt, Gläubige zu werben. So blieb das Land ganz ohne Priester, und auch die meisten Kirchen wurden von den Holländern zerstört. Pater Joseph Vaz war der erste Priester, der 1686 – als Kuli verklei­det – auf Ceylon Fuß fassen konnte. Er war der erste einer Reihe von Oratorianern des heiligen Philipp Neri, die von den Behörden der Vereinigten Ostindischen Kompanie zunächst verfolgt, jedoch später geduldet wurden. Vom Jahre 1762 an wurde das Wirken katholischer Priester gerade noch zugelassen. Diese arbeiteten mit so viel Hingabe und Erfolg, dass, wie die offiziellen Berichte der britischen Besitzer der Insel, die die Holländer 1796 verjagten, vermelden konnten, die Zahl der Katholiken (rund 70.000) größer war als die der Protestan­ten.

Joseph Vaz wurde am 21. April 1651 als drittes von sechs Kindern in dem indischen Dorf Benaulim (Goa) in einer christlichen Familie geboren. Der Sohn von Christoph Vaz und Maria de Miranda stammte aus einer Konkani-Familie, die der Kaste der Brahmanen angehört hatte, aber schon seit mehreren Jahren katho­lisch war. Schon früh lernte er im Gymnasium Portugiesisch und Latein. Es war sicher der religiöse Eifer seines Elternhauses, der in ihm die Berufung zum Priestertum reifen ließ. Dieser Eifer zeigte sich auch darin, dass all seine Neffen Priester wurden und dadurch seine Familie erlosch: „Sie hatte sich Gott geopfert“. Nach der Ma­tura studierte er Altphilologie an der Hochschule der Jesuiten in Goa sowie Philosophie und Theologie am Dominikanerkollegium St. Thomas von Aquin. Mit 25 Jahren wurde er zum Priester ge­weiht. Schon in dieser Zeit hegte er eine besonders innige Vereh­rung und Andacht zur allerseligsten Jungfrau Maria. Gerne be­zeichnete er sich wiederholt als Sklave der Jungfrau Maria, wie es der heilige Ludwig Maria Grignion de Monfort in der Übung der voll­kommenen Hingabe an Jesus durch Maria später so anziehend pro­pagiert hat.

Schon nach kurzer Zeit fielen sein religiöser Eifer und seine Bil­dung auf; er wurde zu Predigten in der Kathedrale der Hauptstadt, zum Beichtehören und zur geistlichen Begleitung eingeladen. In Kanara, auf dem Gebiet der Erzdiözese Goa, wo der Heilige Stuhl ein Apostolisches Vikariat errichtet hatte, war jedoch in jener Zeit ein trauriger Streit bezüglich der Kompetenzen und der Jurisdiktion ausgebrochen. Um die Hirten zu versöhnen und den Eifer der Gläubigen neu zu entfachen, bedurfte es großer Demut und außer­ordentlicher Hingabe: so wurde P. Vaz das Amt des Apostoli­schen Vikars übertragen. Und als dieser dieses Amt wieder abtrat, konnte man die peinvolle Situation als bereinigt ansehen. In all diesen Schwierigkeiten und auch Undank­bar­keiten empfand P. Joseph immer stärker den Wunsch, in einen Orden einzutreten. Es scheiterte aber immer daran, dass alle beste­henden Orden nur europäische Kandidaten aufnahmen. Einige Ver­suche, „eingeborene“ Kommunitäten zu gründen, waren fehlge­schlagen. Jedoch erlaubte der Erzbischof von Goa am 25. September 1685, dass drei indische Priester mit einer vita communis an der Kir­che vom Hl. Kreuz der Wunder auf dem Monte Boa Vista (Goa) starten durften. Pater Joseph wurde zum Superior gewählt, und er war es auch, der die notwendige juridische Form für eine solche vita communis fand, die den Weiterbestand sicherte. Die Kongregation des Oratoriums des hl. Philipp Neri hatte zu diesem Zeitpunkt bereits in Portugal Fuß gefasst; ein eifriger Missionar, der Diener Gottes P. Bartholomeu de Quental (1622-1698), hatte dort das erste Oratorium gegründet. Die­ser war es, der auf eine schriftliche Anfrage von Pater Vaz hin die Konstitutionen und Hinweise für eine Neugründung übersandte.

Am 9. Jänner 1686 entschieden sich die Patres für die Konstitutio­nen des Oratoriums des hl. Philipp Neri (1515-1595). Die Kongregation des Oratoriums, bekannt als Weltpriestergemeinschaft ohne Gelübde, ist eine Gesellschaft Apostolischen Lebens Päpstlichen Rechts, die in der Verbindung von Kontempla­tion und Aktion dem apostolischen Leben der Kirche dient. In der Regel verbleiben die Sodalen der Kongregation bis zu ihrem Lebensende in dem Haus, in das sie eingetreten sind. Das Unternehmen, das von Anfang an eine für ein Oratorium untypische starke missionarische Ausrichtung aufwies, erwies sich zunächst als schwierig: Die Gründung und die kanonische Errichtung durch den Heiligen Stuhl mussten durch manche Schwierigkeiten hindurch. Erst am 26. November 1706 wurde mit einer Bulle von Papst Clemens XI. die Gründung anerkannt und bestätigt. Das Oratorium von Goa war vermutlich die erste religiöse Gemeinschaft des lateinischen Ritus in Asien, die sich ausschließlich aus einheimischen Mitgliedern zusammensetzte. Ende 1686 war die kleine Kommunität, die jedoch von Anfang an mit Berufungen gesegnet war, so weit, dass sie auch ohne Pater Vaz auskommen konnte. Dieser fühlte, dass der Augenblick gekommen war, einer neuen Berufung zu entsprechen, nämlich den Katholiken auf Ceylon seelsorglich zu Hilfe zu kom­men. P. Joseph zog das Gewand eines Kuli, eines Sklaven und Bett­lers an, und nach einigen Monaten leidvoller Versuche gelang es ihm, an der Küste Ceylons zu landen. Er begann damit, Katholiken zu suchen. Die meisten von diesen hatten unter dem Druck der Ver­folgung äußerlich die calvinistischen Bräuche angenommen und wagten nicht, sich zu exponieren. Schließlich fand er bei einer ka­tholisch gebliebenen Familie Unterschlupf und lernte über diese weitere dem Katholizismus treu gebliebene Gläubige, die noch ver­streut im Land lebten, kennen. Geleitet vom Beispiel Jesu Christi ging er überall hin, mit einem Rosenkranz um den Hals als Zeichen seines katholischen Glaubens. Neben der Gleichgültigkeit der Bud­dhisten und Hinduisten bemerkte er die eine oder andere Person, die mit Interesse dieses Erkennungszei­chen der Christen von Cey­lon betrachtete.

Unter großen Schwierigkeiten begann anfänglich zaghaft die Neuevangelisierung der Insel, die sich in dem sicheren Dorf Jaffna entfaltete. Pater Vaz führte viele Katholiken zu den Sakramenten zurück. Unermüdlich hörte er oft tagelang Beichte, taufte Kinder und Erwachsene, brachte das hl. Messopfer dar und regularisierte schon geschlossene Ehen. Die Tätigkeit des Apostels zog jedoch bald die Aufmerksamkeit der holländischen Obrigkeiten und den Zorn der Calvinisten auf sich. Eine Verfolgung brach aus, und es gab nicht wenige Märtyrer. P. Joseph Vaz wurde jedoch in dem kleinen, formell unabhängigen Königreich Kandy in Sicherheit ge­bracht, wo der buddhistische König Villmadharma Surya II. regierte. Calvinistische Agenten verbreiteten das Gerücht, Joseph Vaz sei ein portugiesischer Spion. Als er entdeckt wurde, musste er für zwei Jahre ins Gefängnis. Einem Wunder verdankte er schließlich die Wiedererlangung seiner Freiheit: Als 1696 während einer nie dage­wesenen Dürreperiode die Gebete der buddhistischen Mönche nichts nützten, ließ der König von Kandy nach Vaz schicken. Dieser errichtete auf dem Hauptplatz einen Altar mit einem Kreuz. Kaum hatte er zu beten begonnen, regnete es auch schon; nur der Altar und Pater Vaz blieben trocken. Das Geschehen beeindruckte den König so sehr, dass er dem katholischen Priester die Erlaubnis gab, überall im Land das Evangelium Jesu Christi zu verkünden, sein sakramentales Priestertum auszuüben und die Präsenz der Kirche zu stärken.

Nach der wiedererlangten Freiheit begann Joseph Vaz systema­tisch mit der Missionierung des Landes. Er besuchte praktisch die gesamte Westküste von Jaffna bis Colombo, die noch heute stark vom katholischen Glauben geprägt ist. Wenn Pater Vaz in ein neues Sprachgebiet kam, so erlernte er zu allererst die Sprache – unter anderem beherrschte er Tamil und Sinhala. Er führte ein einfaches und genügsames Leben und schlief stets auf einer dünnen Matte auf dem Erdboden. Alle Reisen barfuß zurücklegend scheute er niemals, sein eigenes Leben für das Reich Gottes auf das Spiel zu setzen.

Die im Jahre 1697 ausgebrochene Pockenepidemie hätte – nach dem persönlichen Zeugnis des Königs – die ganze Bevölkerung dahingerafft, wenn die Liebe und der Verstand von P. Vaz nicht dafür gesorgt hätten, die Kranken zu pflegen und Hygiene-Vor­schriften zu erlassen, die tatsächlich die Ansteckung verhinderten. Sogar die Nicht-Christen bewunderten ihn für diesen heroischen Liebesdienst. Im selben Jahr waren vom Oratorium in Goa, mit dem P. Vaz stän­dig in Briefkontakt stand, die Patres Joseph de Menezes und Joseph Carvalho nach Ceylon gekommen. In seinem Brief vom 28. Mai 1699 an den Präfekten von Goa schrieb er, dass er für knappe zwei Wochen nach Malwana gegangen war, um dort an die 1000 Menschen zu taufen; die meisten von ihnen waren Singhalesen oder Tamilen.

P. Vaz hätte zum Apostolischen Vikar für ganz Ceylon ernannt werden sollen. Er lehnte aber ab und blieb der bescheidene, demü­tige Missionar. Verbraucht von den vielen Mühen und Anstrengun­gen starb er 59-jährig (35 Jahre priesterlich und 24 Jahre missiona­risch auf der Insel tätig) nach dem Empfang der letzten Ölung und des Viaticums, das Kreuz in den Händen haltend, am Freitag, dem 16. Jänner 1711, um Mitternacht, in Kandy. Seine letzten Worte zu den Patres, die um ihn herum bete­ten, waren: „Bedenkt, dass man im Augenblick des Todes nicht leicht das tun kann, was man während des ganzen Lebens vernachlässigt hat zu tun.“ Mit einer Kerze in der Hand und den Namen Jesus auf den Lippen beendete er seine irdische Pilgerschaft. Sein Leichnam wurde drei Tage lang aufgebahrt, so groß war die Zahl der Gläubi­gen, die sich von ihrem geistlichen Vater verabschieden wollten. Sie nannten ihn „Sammanasu Swami“ – engelsgleicher Priester. Kö­nig Narendrasimha veranlasste selbst die Begräbnisfeierlichkeiten. Pater Vaz wurde in der von ihm errichteten Kirche in Kandy, an den Stufen des Hochaltars, bestattet. Das Oratorium von Goa wurde 1835 von der Regierung aufgeho­ben. Die meisten Priester, die zu diesem Zeitpunkt auf der Insel Ceylon ihren Dienst versahen, blieben an ihren Einsatzorten. Zwei dieser Oratorianer wurden sogar zu den ersten beiden Bischöfen dieser Insel erwählt. Das Grab von P. Vaz wurde in dieser Zeit zerstört und seine sterblichen Überreste gingen verloren.

Bei seinem Tod zählte die Kirche auf Sri Lanka 70.000 treue Katholiken, 30.000 davon sind zu Lebzeiten von P. Vaz katholisch geworden. Der seeleneifrige Priester hatte für sie einen Katechismus und ein Gebet­buch in den beiden Landes­sprachen Singalesisch und Tamil verfasst. Während seiner Missionstätigkeit waren vier bedeutende, große Kirchen in den Großstädten gebaut worden und in jedem Dorf gab es eine Kapelle – insgesamt über zweihundert. Zehn Priester führten sein Werk fort.

Im Jahr 1713 eröffnete der Bischof von Cochin das Seligsprechungsverfahren. 1732 genehmigte Papst Benedikt XIV. die Führung des kanonischen Prozesses. Die ungünstigen politischen Entwicklungen und andere Faktoren haben den Abschluss des Prozesses immer wieder verzögert. Die Verehrung für diesen außergewöhnlichen Missionar blieb jedoch ungebro­chen. Schließlich wurde Joseph Vaz nach dem erfolgreichen Abschluss des Seligsprechungsprozesses, in Gegenwart von über 400.000 Gläubigen, von dem 2014 heiliggesprochenen Papst Johannes Paul II. bei seinem Besuch in Colombo, am 21. Jän­ner 1995, seliggesprochen. Dabei bezeichnete der Heilige Vater ihn als „den größten christlichen Missionar, den Asien je hervorge­bracht hat“. In seiner Predigt bekräftigte der Heilige Vater: „Joseph Vaz gilt mit Recht als der zweite Gründer der Kirche auf Sri Lanka … Er folgte dem Ruf des Heiligen Geistes und verließ seine Heimat und kam in ein Land, wo die Kirche über drei Jahr­zehnte keine Priester mehr hatte … Als echter Jünger Jesu Christi nahm er mit Freude und Zuversicht unzählige Leiden auf sich in dem Wis­sen, dass sich auch in diesen Leiden Gottes Pläne erfüllten. Seine heroische Liebe … trug ihm die Achtung aller ein“.

Am 20. Oktober 2014 traf Papst Franziskus, nachdem er das positive Votum der Ordentlichen Versammlung der Kardinäle und Bischöfe der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse bestätigt hatte, im Rahmen des Öffentlichen Konsistoriums die endgültige Entscheidung, den sel. Joseph Vaz zu kanonisieren. Die Heiligsprechungsfeier des Oratorianerpaters erfolgte am 14. Jänner 2015 in Colombo. Vaz‘ missionarische Persönlichkeit ist im Sinne des hl. Philipp Neri, dessen 500. Geburtstag die Kirche dieses Jahr feiern darf, geprägt und gebildet worden. Sie bleibt bis heute ein leuchtendes Beispiel für die Frucht­barkeit des priesterlichen Apostolates und ein Zeug­nis der Selbsthingabe im Vertrauen auf Gott. Ein schöner Kommentar auf das Wesen des Oratoriums. Die Kirche feiert das Fest des heiligen Oratorianers und Patrons von Sri Lanka alljähr­lich am 16. Jänner.

Bischof Edoardo Aldo Cerrato CO, Ivrea, und P. Paul Bernhard Wodrazka CO, Wien

Literaturtip: U. Wick-Alda und P. B. Wodrazka (Hrsg.): Missionieren mit Liebe und Verstand. Der heilige Oratorianerpater Joseph Vaz, Augsburg 2015 (ISBN 978-3-940879-37-0).

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