Der barmherzige Philipp

Der heilige Philipp Neri und das außerordentliche Heilige Jahr - Jubiläum der Barmherzigkeit 2015/2016

Ein Anlass, der dazu einlädt, darüber nachzudenken, welche Bedeutung die Göttliche Barmherzigkeit für den geistlichen Weg des hl. Philipp hat.

Besonders erstaunlich ist, dass die Bulle, mit der Papst Gregor XIII. offiziell am 15. Juli 1575 die Kongregation des Oratoriums errichtete – die Gründungsbulle also – den Titel trägt: „Copiosus in misericordia Dominus“, d. h.: „Reich an Barmherzigkeit hat der Herr gewollt…..“. Im ersten Abschnitt dieser Bulle taucht dreimal das Wort „misericordia“- „Barmherzigkeit“ auf.[1] Die Kongregation ist demnach mit der Barmherzigkeit verbunden, von ihr getragen, von ihr gewollt.

Inwieweit hat sich der hl. Philipp in den Dienst der Barmherzigkeit Gottes gestellt? Oder besser gesagt, inwiefern wurde er in den Dienst dieser Barmherzigkeit genommen?

Selbstverständlich fällt uns zunächst das Sakrament der Versöhnung, die hl. Beichte ein, der sich Philipp Neri besonders gewidmet hat und zwar in der besonderen Zuwendung zu jedem einzelnen. In seiner Spezialisierung auf die Einzelseelsorge. Die Lossprechungsformel des Bußsakraments wird die Barmherzigkeit Gottes zum Ausdruck gebracht haben. Sie beginnt nach der etwas späteren Ordnung im Rituale Romanum von 1614 mit den Worten: „Miseratur tui omnipotens Deus“, „Es erbarme sich Deiner der allmächtige Gott“ und es geht weiter „et dimissis peccatis tuis, perducat te ad vitam aeternam. Amen“ – „und indem er Dir Deine Sünden vergeben hat, führe er Dich zum Ewigen Leben.“[2] Auf den Punkt gebracht dient das Oratorium demnach genau dazu, diese Barmherzigkeit Gottes zu den Menschen zu tragen.

Auch in seinen Schriften und Maximen spricht Philipp von Barmherzigkeit. Im Brief an seine Nichte, Sr. Maria Vittoria Trevi, rät Philipp dazu, sie solle im Herzen die Dankbarkeit Gott gegenüber wachhalten und an die Wohltaten denken, die sie jeden Tag empfängt, um auch die größeren Gaben zu erkennen, die die Barmherzigkeit Gottes für sie in der Seligkeit bereitet hat.[3]

Das Gedenken in der Hl. Messe (Messintention) ist ein kräftiges Mittel, den allmächtigen Vater zu bewegen, uns seine Gnade und Barmherzigkeit zu schenken. - So schreibt Philipp im Brief an P. Giovanni Giovenale Ancina, seinen mit ihm geistlich verbundenen Oratorianer.[4]

Es besteht die Gefahr, die eigene Bekehrung aufzuschieben, da Gott ja sowieso barmherzig sei, so heißt es in einer Maxime Philipps.[5] Es ist eine Warnung, nicht zu denken, man könne sich später einmal bekehren, weil das eine große Verletzung Gottes darstellt. Man häuft Sünden auf und es kann dann auch – da man den eigenen Todeszeitpunkt nicht kennt, problematisch werden.

In seinen Kurzgebeten meditiert Philipp das „miserere mei“„erbarme dich meiner“. Sehr oft wiederholt er den Namen Jesu – „Iesu mio“ – „mein Jesus“. Dieses Beten, das an das Jesusgebet der Ostkirche erinnert, das Philipp v.a. über die Scala Paradisi des Johannes vom Sinai (Climacus) kannte,[6] ist ihm lieb. Er meditierte den Namen Jesu entlang der Perlenschnur des Rosenkranzes. Die Wertschätzung des Namens Jesu kannte Philipp aber auch schon durch seine toskanische Heimat, über Bernhardin von Siena, der die Verehrung des Namens Jesu durch das Namenskürzel IHS verbreitete, und über den seligen Sieneser Kaufmann Giovanni Colombini, der riet, den Namen Jesu, bzw. Jesu Christi, gelegen oder ungelegen im Munde zu führen, ihn laut zu verkünden und ihn zu loben.[7] Philipp bezieht das „miserere mei“ auf die Dreieinigkeit Gottes: So heißt es in seinem Kurzgebet: „Sancta Trinitas, unus Deus, miserere mei.“- „Heilige Dreieinigkeit, Du, der eine Gott, erbarme dich meiner.“[8]Eine Einladung, in dauernder Gemeinschaft mit dem dreieinen Gott zu leben.

Die 7 geistigen und die 7 leiblichen Werke der Barmherzigkeit hat Philipp geübt, seine Biographen berichten davon und es würde zu weit führen, sie alle hier aufzulisten. Nicht zu vergessen ist schließlich das Gebet der Tagzeiten, die Stundenliturgie, die Philipp in Laudes und Vesper zu den lukanischen Cantica des Benedictus und des Magnificat (Lk 1, 46-55 bzw. 1, 68-79) führte, die beide ausdrücklich die Barmherzigkeit Gottes loben. Hier heißt es: „Ad faciendam misericordiam cum patribus nostris“- „Er hat das Erbarmen mit den Vätern an uns vollendet“ und „Per viscera misericordiae Dei nostri“ – „Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes“ (Benedictus). Wie auch: „Et misericordia eius a progenie in progenies timentibus eum.“- „Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten.“ (Magnificat). In der Komplet erinnert wiederum das Salve Regina an die Göttliche Barmherzigkeit, indem Maria als Königin geehrt und in Bezug auf ihren Sohn „Mutter der Barmherzigkeit“ genannt wird. Wie ihre, so mögen auch unsere Augen barmherzig werden. So ist der Tag liturgisch immer wieder eingeholt und schon umrahmt vom Gedanken der Barmherzigkeit.

Zusammenfassend könnte man also festhalten: die Barmherzigkeit des Herrn steht am Beginn der Errichtung der Kongregation des Oratoriums (vgl. die päpstliche Bulle) und das außerordentliche Heilige Jahr mit seinem Aufruf zur Umkehr in die Arme des Vaters weist auf eines der seelsorgerlichen Hauptmittel des Oratoriums hin (die Einzelseelsorge, das Sakrament der Beichte, das fürbittende Gebet für Lebende und Verstorbene (Ablass)).

Es ist ein schönes Zeichen, dass im außerordentlichen Heiligen Jahr der Barmherzigkeit einige Oratorien des hl. Philipp in ihren Kirchen eine Heilige Pforte eröffnen konnten. Es sind dies die Oratorien von Wien (Österreich), Oxford (Großbritannien), Gostyn (Polen, Sanctuarium Maria – Rosa Mystica), Rock Hill (U.S.A.), Port Antonio (Jamaica), Villa Alemana (Chile) und Aufhausen (Deutschland), die seitens ihrer Diözese hierzu die Erlaubnis erhielten. 

Werden wir in den Spuren des hl. Philipp Neri erfinderisch, diesen Weg zur barmherzigen Liebe Gottes, in die Arme des liebenden Vaters zu zeigen und zu gehen.   

Dr. Ulrike Wick-Alda


[1] Der gesamte lat. Text der Bulle: Bulla fundationis Congregationis Oratorii in ecclesia Sanctae Mariae in Vallicella de Urbe (ASV, Secr. Brev., 82, ACR, A.V. 1, n. 1), in: Collectanea vetustorum ac fundamentalium documentorum Congregationis Oratorii Sancti Philippi Nerii. (Testi e Studi Oratoriani), A. Cistellini collegit, Brescia 1982, 10-16.

[2] Rituale Romanum, editio quinta juxta typicam, Ratisbonae 1937, 70. Vgl. Rituale Romanum Pauli V, Romae MDCXVII, 55.

[3] Philipp Neri, Schriften und Maximen, ital.-dt.; lat.-dt., hg. v. U. Wick-Alda u. P. B. Wodrazka, (TDS QS 1), St. Ottilien 2011, 122-123. (=PNSM).

[4] Ebd. 155.

[5] Ebd. 305.

[6] Vgl. seine private Handbibliothek, in: Cistellini, A.; I libri e la libreria di San Filippo Neri, in: Memorie Oratoriane 18 (1997), 7-43.

[7] Wick-Alda, U.; Um gut zu beten braucht es den ganzen Menschen. Philipp Neri und die Spiritualität seiner Kurzgebete, (Theologie der Spiritualität, Beiträge, Bd. 6), Münster 2005, 128ff.

[8] PNSM 339.

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